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LG: neue „Strategie“?

LG Österreich

Die „Letzte Generation“ hat in Österreich vor Kurzem einige politisch-strategische Änderungen angekündigt. Man strebe nun eine Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung an und werde – wenn es keine entsprechenden Bemühungen der Bundesregierung gebe – mit anderen Methoden den Kampf weiterführen: man werde „größer, lauter und kompromissloser als je zuvor“. Ich habe darüber vor einer Woche berichtet.

Gestern kommt in einem der Verteiler für das Umfeld der LG eine Art „Erfolgsmeldung“:

Bilanz des ersten großen Protesttages im Februar, an dem wir einmal mehr die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung fordern:

  •  8 km Stau auf der Südosttangente 16 festgenommene Aktivist:innen
  •  Proteste an der Kreuzung Laxenburger Straße mit der Raxstraße in Wien-Favoriten 22 festgenommene Aktivist:innen
  • Abmontierte Reifen und Abschleppen eines Kleinlasters festgeklebt
  • 31 Pressemeldungen zu den Protesten
  • 6 Presseaussendungen der Politik zum Protest und nicht in einer (!) geht um das Sichern des Überlebens der Bevölkerung

Dazu gibt es einen Spendenaufruf und eine Begründung dafür: „Studie: Spenden an Protestbewegungen sind das effektivste Mittel, um die Klimakatastrophe zu bekämpfen.“

Deutschland?

Auch in Deutschland wechselt die LG Strategien und Methoden. Einerseits wird eine Kandidatur zur EU-Wahl angestrebt; andrerseits greifen einige Aktivist*innen auf die Methode des Hungerstreiks zurück, die auch in Österreich von Martha Krumpeck bereits zweimal verwendet worden ist.

Ja, bei der großen Anzahl deutscher Mandate im EU-Parlament verspricht eine Kandidatur durchaus Erfolg im Sinne des Erringens einiger Mandate. Ob das Besetzen von Mandaten im Parlament dann schon eine realistische Möglichkeit für eine vernünftige Klimapolitik ist, möchte ich aber bezweifeln. Ich sehe andere notwendige Schwerpunkte.

Strategien und Methoden

Ich habe schon mehrfach versucht, gegenüber Aktivist*innen der LG meine ernsten Bedenken gegen das Weiterführen der Straßenblockaden zu äußern: ich war da bisher leider überhaupt nicht erfolgreich. Man pickt an den einmal gelernten Methoden.

Wir sind in einem Wahljahr und ich halte es für extrem kontraproduktiv, die Menschen weiterhin mit Klebeaktionen zu belästigen. Klebeblockaden waren eine sinnvolle Methode, als es noch darum ging, das Thema „hochzuziehen“; nun ist das Thema da und wir brauchen keine extrem polarisierenden Aktionen mehr, sondern möglichst konstruktive politische Arbeit. (Das könnte auch lustvoll sein.) Ich will nicht, dass über ein Immer-Mehr an Polarisierung Menschen, die parteipolitisch nicht besonders gefestigt sind, in die Hände jener Parteien getrieben werden, die unter dem Anschein von „Law and Order“ für scheinbare „Ordnung“ sorgen wollen und deshalb gegen angebliche „Klimaterroristen“ hetzen. Das ist aber keine wirkliche „Ordnung“: das ist die Einschränkung wertvoller bürgerlicher Rechte!

Ich verstehe auch nicht, warum 16 bzw. 22 festgenommene Aktivist*innen eine Erfolgsmeldung bedeuten.

Was ich auch nicht verstehe, ist die neue zentrale Forderung, dass Klimaschutz in die Verfassung kommen müsse. Wir haben bereits ein Gesetz im Verfassungsrang, das unter anderem die Politik zu „umfassendem Umweltschutz“ zwingt – das „Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz,  die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung“. Da gehört Klimaschutz selbstverständlich dazu – obwohl er (noch) nicht explizit drin steht. Und niemand kann annehmen, dass eine Erwähnung des Klimaschutzes in Verfassungsbestimmungen bereits eine neue Politik mit sich bringt. Die begriffliche Aufnahme in die Verfassung macht noch keine andere Politik; die neue Forderung ist ungeheuer naiv.

Was ich tatsächlich als Änderung feststelle, ist die Bereitschaft, Spenden zu sammeln. Das habe ich schon im Jänner 2023 vorgeschlagen und mir dabei damals einen sauberen Rüffel eingefangen: ob ich die Grundsätze des zivilen Widerstands nicht begriffen habe, musste ich mir da vorwerfen lassen: es sei Teil des Widerstands, auch Strafen selbst zu begleichen. Nun wird gesammelt: was es aber immer noch nicht gibt, ist ein einfacher IBAN eines Kontos, an das man überweisen kann; man sammelt über online-Formulare, wo man sich durchklicken muss. (Ich habe im Kreis der S4F für Klimaaktivist*innen allerdings auch schon nicht ganz erfolglos Spenden gesammelt: wesentlich einfacher und trotzdem transparent.)

Eigene Bedenken

Einige Industriestaaten – die USA, das UK, Frankreich und einige andere – haben aus den offensichtlichen Misserfolgen bei der Einschränkung von Treibhausgasen und ihrem unbestreitbaren Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel den Schluss gezogen, aus den fossilen Brennstoffen (mehr oder minder) auszusteigen und statt dessen wieder die Atomkraft aus Kernspaltung auszubauen. Man „löst“ da scheinbar ein aktuelles Problem kurzfristig, indem man langfristig Atommüll für weitere Jahrtausende produziert.

Das macht die Sache argumentativ schwierig: Aus einem einfachen „Raus aus fossilen Treibstoffen“ wird ein „Raus aus fossilen Treibstoffen, aber doch nicht wieder rein in die Atomindustrie“. Es ist schier zum Verzweifeln!

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