Veröffentlicht in Privates, allgemein, Bildung, Politik

Mein Solarstrom, Stand 1.10.23

Das 1,5-Grad-Ziel

Wir (als Menschheit) haben uns über unsere Vertreter*innen beim Pariser Klimagipfel 2015 darauf verpflichtet, den menschengemachten Klimawandel auf 1,5° Celsius zu beschränken: bis zum Jahr 2100, im Vergleich zur Zeitspanne zwischen 1850 und 1900. Wenn wir das schaffen, können wir uns viele Katastrophen ersparen. (Für den Fall, dass wir es nicht schaffen, hat der vergangene Katastrophensommer gedanklich nahegelegt, wie es auf Dauer werden könnte – nur noch weit schlimmer.)

Allerdings meinen viele Wissenschaftler*innen, dass das Erreichen dieses 1,5-Grad-Ziels nicht mehr möglich ist, weil unsere Politiker*innen (weltweit, nicht nur, aber auch in Österreich) viel zu lax, zu schwach, zu unambitioniert, zu angepasst oder zu abhängig vom Kapital sind.

Aber vor Kurzem, am 26.9., habe ich gelesen: die Internationale Energieagentur IEA halte das Ziel noch für erreichbar. Grund: das „erstaunliche Rekordwachstum bei Solarenergie und Elektromobilität“.

Elektromobilität interessiert mich weniger: ich habe gar kein Auto mehr. (Das geht!) Vom Rekordwachstum bei Solarenergie bin ich seit 30.6.2023 ein Teil. Ich habe mein Elternhaus in Bürs (Vorarlberg) mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet: 48 qm; 9,96 kWp; Südost-Dach. Kosten (im Rahmen einer größeren Renovierung): ca. 19.400 € incl. MWSt; am 29.9. kam bereits eine Förderung (die „Bundesförderung“) von ca. 2.800 € bei mir an. Andere Förderungen im Rahmen der Renovierung stehen noch aus.

Drei Monate Erfahrung bringen mich dazu, möglichst viele Menschen zu ermuntern, es mir gleich zu tun. Wenn man ein Dach besitzt, ist das an sich einfach. Wenn man kein Dach (oder keinen Dachanteil) besitzt, gibt es bereits Modelle, wie man sich trotzdem einbringen kann.

Die Ernte

Ich habe Solarpaneele „gesät“ und ernte seit 1.7. – am 30.6. wurde die Anlage in Betrieb genommen. Ich habe jetzt 92 Tage Erfahrung: Juli bis September.

Meine Anlage hat in dieser Zeit etwas mehr als 3.500 kWh Strom produziert: das sind 3,5 MWh („Megawattstunden“) oder – für einen mit ca. 5,9 kWh Strombedarf pro Tag an sich sparsamen Haushalt wie unseren – die Menge Strom für über 600 Tage, also weit über ein Jahr. In jedem Monat waren es über 1.000 kWh; dabei war der September noch besser als der August.

Im Juli erzeugte die Anlage knapp 1.300 kWh, im August waren es ziemlich genau 1.100 kWh und im September ca. 1.140 kWh. (Der September war „besser“ als der August, weil das erste Drittel des August von „schlechtem“ Wetter mit wenig Sonnenschein geprägt war.)

Für die erste Megawattstunde brauchte die Anlage bis 23.7., also 23 Tage, die zweite Megawattstunde war am 20.8. voll – für die brauchte die Anlage also 28 Tage; die dritte Megawattstunde wurde am 15.9. erreicht, brauchte also 26 Tage.

In 3 Monaten hat meine PV-Anlage weit mehr an Energie produziert als ein Jahresbedarf für meinen Haushalt!

Von diesem Strom haben wir über 90% in das öffentliche Netz eingespeist. Mein Stromanbieter in Vorarlberg ist die VKW: sie bezahlt mir pro eingespeister kWh (zunächst: bis zu 3.500 kWh) 9 Cent, aber auch einen „Sonderbonus“ (bis 31.12.) von 15 Cent, insgesamt also 0,24 €. (Das ist sozusagen die „Landesförderung“ für Photovoltaik. Im Gegensatz zur o.a. Bundesförderung, die sich lediglich an der Größe der installierten Anlage ausrichtet und damit fix absehbar ist, ist diese Landesförderung im Vorhinein sehr schlecht kalkulierbar. Niemand kann Monate im Voraus sagen, wie erfolgreich so eine Anlage arbeiten wird.)

Meine Anlage hat in diesem Zeitraum bereits etwas mehr als 800 € „verdient“ – in 3 Monaten! Dabei ist der Strom, der aus der Produktion direkt in den Haushaltsverbrauch geflossen ist und den ich deshalb nicht von der VKW beziehen musste, noch nicht mitgerechnet. Ich liefere ja nicht nur Strom, sondern beziehe auch weniger, weil ich eigenen habe, der mich „nichts“ kostet.

Wie sehr die Erzeugung von Solarstrom vom Wetter (und anderen Faktoren) abhängig ist, verdeutlicht die folgende Graphik der Stromproduktion. Sie zeigt die pro Tag produzierten Kilowattstunden:

 

Die rote Gerade ist die „Trendlinie“. Natürlich führt der Trend nach unten: Juli ist tendenziell besser als August, August tendenziell (an sich, nur hier eben nicht) besser als September. Es kommen jetzt die sonnenarmen Monate Oktober, November, Dezember und Jänner – da wird das direkt in (nicht) erzeugten Kilowattstunden zählbar werden.

(Schon jetzt merke ich: im Juli begann der Sonnentag schon vor 7 und hörte um etwa 21 Uhr auf; im September war vor 7:30 nix los und nach 19:30 auch nix mehr. Im Juli hatten wir Leistungsspitzen von 7,2 kW; im August und September musste ich auch mit 6 kW mehr als zufrieden sein. Die Tage werden kürzer; die Sonne steht tiefer; ihre Strahlen fallen flacher ein. Im Juli hatten wir noch 3 Tage über 60 kWh; später keinen einzigen mehr. Im August war ein Tag ein „Ausfall“, im September waren es schon drei. Abgesehen davon: Ende Juli / Anfang August war eine Schlechtwetterperiode mit wenig Sonnenschein: man kann sie in der Grafik erkennen.)

Im Mittel hat meine PV-Anlage im Juli ca. 41 kWh pro Tag produziert, im August 35,5 kWh und im September ca. 38 kWh; insgesamt bisher im Mittel 38,1 kWh. Der mittlere Wert, der Median, lag jeweils etwas höher: wir haben es jeweils mit einer an sich recht konsistenten (wenngleich natürlich wetterabhängigen) Produktion um einen Mittelwert herum zu tun mit wenigen deutlichen Ausreißern nach unten, die den Mittelwert nach unten zogen, aber den Median praktisch nicht. Ja: vier Tage waren praktische „Ausfälle“! Das gehört zum „Geschäft“: es ist in hohem Ausmaß wetterabhängig.

Ab Oktober wird das sicher deutlich weniger; ich bin gespannt auf den Winter. Aber allein mit der Produktion der ersten 3 Monate bin ich bereits sehr zufrieden. Für PV-Anlagen werden Amortisationszeiten von ca. 10 Jahren angegeben: mit den Förderungen, die es gibt, wird das schon deutlich geringer. Die Investition lohnt sich – für das Individuum wie für die Gesellschaft. Ich kann sie nur empfehlen.

Der Klima-Effekt

Elektrischer Strom wird immer noch zum Teil mit fossilen Brennstoffen, v.a. Erdgas produziert. Für einen in Mitteleuropa üblichen durchschnittlichen Strommix kann man also die duch Solarenergie vom Dach erzeugte Ersparnis an CO2-Emissionen ausrechnen. Ich habe zu meiner Anlage eine Software bekommen, die den erzeugten Strom in kg CO2, in zurückgelegte Kilometer mit einem Verbrennerauto oder in Bäume umrechnet, die so viel CO2 binden könnten. (Die Autokilometer und die Bäume sind dabei zwar anschauliche Größen, aber ich halte diese Daten für spekulativ und höchst interpretationsbedürftig.)

Die durch unsere PV-Anlage eingesparten CO2-Emissionen betragen laut Software derzeit mit 1.885 kg schon fast 2 Tonnen. In Bäumen ist das ein kleines Wäldchen von 48 Stück; und mit einem „duchschnittlichen“ Verbrennerauto könnte man schon 7.564 km fahren, um diese Menge an Emissionen, die wir eingespart haben, zu erzeugen.

Ja: Solarstrom ist ein sehr wichtiger Teil der Aktivitäten für einen wirksamen Klimaschutz!

Beteiligungsmodelle

Aber wie ist das, wenn man kein eigenes Dach, keine eigene Fläche für Solarpaneele hat oder sich die Ausgabe für die Installation so einer Anlage schlicht nicht leisten kann? Ist das eine Technologie für einige „happy few“?

Es gibt Lösungen.

Das Modell der Stadt Dornbirn

Die Stadt Dornbirn wollte stadteigene Dächer mit Photovoltaik ausstatten. Das wäre teuer geworden und so hat die Stadt bei ihren Bürger*innen Geld geliehen. Man konnte in Dornbirn einen Sonnenanteilschein (in Dornbirn: „Sonnenschein“) um 500 € kaufen. 499 Anteilscheine wurden aufgelegt; das brachte der Stadt Dornbirn eine Viertelmillion Euro. Die Stadt versprach, diese „Sonnenscheine“ über 10 Jahre mit 60 € jährlich zurückzuzahlen. Das ist finanzmathematisch eine „Rente“ mit einem Zinssatz von ca. 3,45%. Für die Bürger*innen war das gewinnbringend: ein Zinssatz viel besser als auf der Bank; für die Stadt auch: Kreditzinsen viel weniger als auf der Bank. Dementsprechend waren die 499 Sonnenscheine innerhalb weniger Tage vergriffen.

Kleiner politischer Haken an der Sache: die Rückzahlung erfolgt nicht in Bargeld, sondern in Form von Einkaufsgutscheinen für Dornbirner Geschäfte. Damit bleibt die Kaufkraft im Ort.

Eine geniale Lösung, finde ich. Und sie ist adaptierbar. Jede Wohnbaugenossenschaft könnte so die Dächer ihrer Häuser nützen: die Verwaltung ist leicht; man müsste sich nur darum kümmern, Geschäfte für die Verwendung der Gutscheine zu gewinnen. Jede größere Hausverwaltung könnte das auch ihren Bewohner*innen anbieten. Der direkt nutzbare Strom geht in den Betriebsstrom der Anlage und reduziert damit für alle die Betriebskosten; der eingespeicherte Strom wird in Form der „Rentenbeträge“ an die ausgegeben, die im entsprechenden Rahmen investiert haben.

Energiegemeinschaften

Wer seinen überschüssigen Solarstrom nicht in das allgemeine Netz einspeichern will (wie ich das mache), sondern mit Freunden, Verwandten, Nachbarn etc. „teilen“ will, kann mit diesen Partner*innen eine Energiegemeinschaft nach Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG 2021) gründen. Da macht man sich die Tarife untereinander aus. Man kann als Produzent*in evtl. etwas mehr für den erzeugten Strom bekommen, als der den Markt beherrschende Stromanbieter zu bezahlen bereit ist und für Strombezieher*innen kann es trotzdem billiger sein als auf dem Markt.

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[…] Photovoltaik gehört zu den Dingen, die das Klimaziel von 1,5 Grad noch erreichbar erscheinen lassen. Es ist eine Gewinn-Strategie für das Individuum und für die Gesellschaft. Methoden, wie auch Nicht-Dach-Besitzer von Photovoltaik profitieren können, habe ich am 1. Oktober beschrieben. […]

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[…] 48 qm, eine Spitzenleistung von 9,96 kWp und ist nach Südost ausgerichtet. Am 1.10. habe ich den Erfahrungsbericht bis einschließlich September veröffentlicht; jetzt kommt hier das […]

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[…] ich im Oktober in Betrieb genommen. (Ich habe über die Fortschritte mehrfach berichtet: am 1.9., am 1.10., am 1.11., am […]