Veröffentlicht in allgemein, Politik

Ukraine: mein Friedensplan

Ich habe heute mit Freund M. über meinen Blog im Allgemeinen, den Zustand der Welt an sich und im Besonderen über meinen Vorschlag für einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine diskutiert. Meinen Friedensplan habe ich hier in meinem Blog schon 7 mal publiziert (7.3., 29.3., 21.5., 1.6., 7.6., 30.6., 12.10.). Er besteht i.W. aus folgenden Punkten (Formulierung i.W. vom 12.10.):

Der Friedensplan

  • sofortiger Waffenstillstand; Abzug aller russischen Truppen; Wiederherstellung der staatlichen Integrität der Ukraine (insbes. Rücknahme aller Annexionen)
  • Die Ukraine strebt eine Neutralität nach österreichischem Muster an (EU-Mitgliedschaft denkbar, NATO-Mitgliedschaft nicht)
  • Die dominierend russischsprachigen Oblaste Donezk und Luhansk (wo es jetzt schon sog. „Volksrepubliken“ gibt) und die Krim streben innerhalb der Ukraine eine Autonomie nach Südtiroler Muster an
  • In einigen Jahren (cooling down) finden Abstimmungen statt unter internationaler Aufsicht über die Staatszugehörigkeit (Ukraine oder Russland) in den Oblasten Donezk und Luhansk und auf der Krim

(Zum Plan dazu müsste mittlerweile natürlich die offizielle Annullierung der Annexionen der Oblaste Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson und der Krim treten.
Ich nehme an, dass unter einer echten, fairen Volksabstimmung die Krim russisch bliebe; Cherson und Saporischschja würden ukrainisch bleiben, für Donezk und Luhansk kann ich mir beides vorstellen. Außerdem würde der Ablauf des cooling down das Ergebnis der Abstimmungen beeinflussen.)

Mein Freund meinte, das sei an sich ein guter Plan, nur sei er im Moment nicht realistisch, denn Putin würde dabei sein Gesicht völlig verlieren.

Gesichtsverlust?

Ich zweifle an sich, ob psychologische Begriffe (wie Gesichtsverlust) bei der Erklärung von Kriegen überhaupt dienlich sind. M.E. geht es bei Kriegen immer um Macht, letztlich um Wirtschaftsmacht. Die psychische Befindlichkeit von Staatsmännern ist m.E. nie von wirklicher Bedeutung; sie mag am Rande eine Rolle spielen; mehr nicht.

Vladimir Putin hat durch den Ukraine-Krieg sein „Gesicht“ bereits vielfach verloren, jedenfalls in Europa, im sog. „Westen“ oder „globalen Norden“. Wie das in der Türkei, in Indien, in China, in Asien überhaupt ist, kann ich nicht einschätzen: es gibt Signale, dass auch dort schon ein gewisser Gesichtsverlust eingetreten ist, aber wir bekommen die Nachrichten von dort nur durch die westlichen Filter. Wie es dort wirklich ist, weiß ich nicht.

Aber ich glaube, durch „meinen“ Friedensplan – ich hab den selbst erdacht; aber sicher haben andere Menschen weltweit auch schon Ähnliches gedacht – würde Putin nicht sein Gesicht verlieren. Er hätte es geschafft, über eine Neutralität der Ukraine die NATO-Osterweiterung deutlich einzubremsen. Man könnte das als eine Art Sieg verkaufen.

(Eine kurze „Gesichtswäsche“ würde allein schon durch gemeinsame Verhandlungen – Russland, Ukraine, EU – eintreten.)

Seitenthema: die NATO-Osterweiterung

Die NATO-Osterweiterung mit ihren 5 Phasen 1999, 2004, 2009, 2017 und 2020 – ich empfehle dazu den guten Artikel in der Wikipedia, den ich verlinkt habe – kann von Russland als Bedrohung gesehen werden. Da hat sich die NATO um (1999) Polen, Tschechien, Ungarn, (2004) Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, (2009) Albanien, Kroatien, (2017) Montenegro, (2020) Nordmazedonien erweitert. (2022 kann man de facto noch als sechste Phase Finnland und Schweden dazunehmen.)

Aus NATO-Perspektive hat die NATO nicht sich selbst erweitert, sondern freie Staaten sind ihr aus freiem Entschluss beigetreten. Das war nach internationalen Verträgen auch nicht verboten und Russland hat da nie bemerkbaren Protest eingelegt – jedenfalls hätte ich nichts mitbekommen; aber der Gedanke, dass diese NATO-Osterweiterung mit der Ukraine und Moldawien weitergehen könnte, mag aus russischer Sicht bedrohlich erscheinen. Hier liegt m.E. ein Hauptgrund des Krieges; nicht so sehr in Putins „Wunsch“ nach einem Großrussland. Hier liegt auch eine weitere vermeintliche „Bedrohung“ Russlands: ein „kleinrussischer“ Staat, der nach westlichen Maßstäben „erfolgreich“ ist – das stellt Russlands Machtstrukturen in Frage.

Der Beitrag Österreichs

„Mein“ Friedensplan nimmt an 2 Stellen Bezug auf Österreich:

  • Neutralität der Ukraine nach dem Muster Österreichs
  • Autonomie der Oblaste Donezk und Luhansk nach dem Muster Südtirols

Österreich und Südtirol haben mit der Neutralität Österreichs und der Autonomie Südtirols insgesamt sehr gute Erfahrungen gemacht. Diese guten Erfahrungen könnten wir exportieren. Haben die Herren Schallenberg und Nehammer das schon in Europa oder im Gespräch mit Putin eingebracht? Ich weiß es nicht.

Warum wäre der Zeitpunkt (vielleicht) gut?

Russland hat den konventionell-militärischen Krieg im Moment offenbar fast schon verloren und ist dazu übergangen, über Staatsterrorismus zivile Ziele – Energieversorger, Kraftwerke – in der Ukraine zu bombardieren; offensichtlich um die Ukraine in einem eiskalten Winter in die Knie zu zwingen. (Wiederum ein Verbrechen gegen das Völkerrecht!) Da ist noch viel Gesichtsverlust zusätzlich möglich. Will das wer wirklich? Nicht die Russinnen und Russen als Volk, da bin ich mir sicher.

Putin hat Russland in eine gefährliche, für ihn selbst problematische Sackgasse geführt. Aber in der Ukraine erfrieren Menschen. Da sollten wir schnellstens raus.

Die Strategie des „Westens“?

Ich halte die Strategie des Westens, einen militärischen, völkerrechtswidrigen Krieg nicht mit einem kriegerischen Gegenschlag, sondern mit Wirtschaftssanktionen (und auch Waffenlieferungen) zu beantworten, für modern, zeitgemäß und richtig. Ja, das erfordert Opfer, aber wir können das leisten.

Was ich nicht höre … Z.B.: wir würden auf diese oder jene Sanktion verzichten, wenn es zu einem Waffenstillstand kommt. Ich höre nur immer wieder von verschärften Sanktionen. Ob in den Gesprächen zwischen Macron und Putin oder Scholz und Putin oder Biden und Putin auch Versuche, die Sanktionsspirale umzudrehen, vorkommen, weiß ich nicht. Jedenfalls hören wir nichts davon. Ja, Wirtschaftssanktionen sind das richtige Mittel, aber man kann damit auch „konstruktiver“ umgehen.

Ich glaube, Versuche, die Sanktionsspirale im Austausch mit Schritten Richtung Frieden umzudrehen, sind notwendig. Das heißt aber auch, dass Wirtschaftssanktionen notwendig sind. Als Verhandlungsmasse.

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Martin Maier
Martin Maier
1 Jahr alt

…natürlich spielt Macht eine zentrale Rolle. Bei Putin, so glaube ich, ist aber die psychische Verfasstheit nicht zu unterschätzen…Kränkung, Wut, die „Nato Osterweiterung“ verschlafen zu haben…?

michael
michael
1 Jahr alt

Die psychische Verfasstheit Putins … für mich eine große Unbekannte. Vielleicht will ich ihr deshalb keinen hohen Einfluss zuschreiben.
Ich sehe v.a. Machtpolitik. Es gilt aus mehreren Gründen, eine mehr oder minder westlich orientierte Ukraine zu verhindern. Das könnte man mit einer Neutralität vielleicht abfangen.
Helfen uns Kenntnisse über die Psyche Putins in der politischen Planung?
Schwierige Fragen …
m.

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